22.09.23 | Zur Aussetzung der Vollziehung von Grundsteuerwertbescheiden
Das Finanzgericht (FG) Berlin-Brandenburg hat sich mit den Voraussetzungen für eine Aussetzung der Vollziehung von Grundsteuerwertbescheiden befasst.
Dem Beschluss vom 1. September 2023 (Az. 3 V 3080/23) zufolge kommt eine Aussetzung der Vollziehung eines Grundsteuerwertbescheides nur ausnahmsweise in Betracht, soweit der Antragsteller den Antrag mit verfassungsrechtlichen Zweifeln an der Gültigkeit der Neuregelungen zur grundsteuerlichen Bemessungsgrundlage im Bundesmodell begründet.
Verfassungsrechtlichen Zweifel
In einem solchen Fall setze die Aussetzung beziehungsweise Aufhebung der Vollziehung wegen des Geltungsanspruchs jedes formell verfassungsgemäß zustande gekommenen Gesetzes zusätzlich voraus, dass ein besonderes berechtigtes Interesse des Antragstellers an der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes bestehe, dem der Vorrang gegenüber dem öffentlichen Interesse am Vollzug des Gesetzes zukomme.
Besonderes berechtigtes Interesse
Im entschiedenen Fall wurde die beantragte Aussetzung der Vollziehung von der Antragstellerin ausschließlich mit verfassungsrechtlichen Zweifeln begründet. Das Finanzgericht hat ein besonderes berechtigtes Interesse der Antragstellerin jedoch nicht festgestellt und den Antrag deshalb abgewiesen. Zu der Frage, ob überhaupt Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der neuen grundsteuerlichen Bewertungsvorschriften bestehen, hat das Finanzgericht sich nicht geäußert.
Die vom Finanzgericht zugelassene Beschwerde ist bislang nicht eingelegt worden.
(FG Berlin-Brandenburg / STB Web)
Artikel vom: 22.09.2023
20.09.23 | GmbH-Firmenwagen: Privatnutzung trotz Nutzungsverbot?
Beim Geschäftsführer einer Ein-Personen-GmbH kann selbst dann ein Anscheinsbeweis für die Privatnutzung eines von der GmbH überlassenen PKW vorliegen, wenn im Anstellungsvertrag ein Privatnutzungsverbot vereinbart wurde.
Dies führt zu einer verdeckten Gewinnausschüttung (vGA), die auf Ebene der Gesellschaft jedoch nicht nach der 1%-Regelung, sondern nach Fremdvergleichsgrundsätzen zu bewerten ist. Das hat das Finanzgericht Münster mit Urteil vom 28. April 2023 (Az. 10 K 1193/20 K,G,F) entschieden.
Eine GmbH vereinbarte im Anstellungsvertrag mit ihrem alleinigen Gesellschafter-Geschäftsführer einen Anspruch auf die Gestellung eines PKW der gehobenen Mittelklasse, den er aber nicht privat nutzen dürfe. Zudem gab es eine Vereinbarung, wonach der Geschäftsführer verpflichtet sei, das Fahrzeug nach Geschäftsschluss auf dem Firmengelände abzustellen. Des Weiteren machte die GmbH für das neu angeschaffte Fahrzeug eine Sonderabschreibung nach § 7g EStG geltend.
Das Finanzamt ging im Hinblick auf die Privatnutzung durch den Geschäftsführer von einer verdeckten Gewinnausschüttung aus, die sie nach der 1-Prozent-Regelung mit 4.000 Euro berechnete. Da somit keine (fast) ausschließliche betriebliche Nutzung dieses Fahrzeugs vorliege, erkannte das Finanzamt außerdem die Sonderabschreibung nach § 7g EStG nicht an.
Anscheinsbeweis spricht für Privatnutzung
Das FG Münster hat die hiergegen gerichtete Klage der GmbH abgewiesen. Die allgemeine Lebenserfahrung spreche dafür, dass ein einem Gesellschafter-Geschäftsführer von der Gesellschaft überlassenes betriebliches Fahrzeug auch privat genutzt werde. Dies gelte auch bei einem Privatnutzungsverbot, wenn keine organisatorischen Maßnahmen getroffen würden, die eine private Nutzung ausschließen.
Für den Anscheinsbeweis spreche, dass ein Privatnutzungsverbot wegen des fehlenden Interessengegensatzes keine gesellschaftsrechtlichen oder arbeitsrechtlichen Konsequenzen nach sich ziehe. Es könne daher nicht ohne Weiteres unterstellt werden, dass der Geschäftsführer sich tatsächlich an das Verbot halte.
Die GmbH habe den Anscheinsbeweis auch nicht entkräftet, etwa durch Führung eines Fahrtenbuchs. Auch zu der tatsächlichen Durchführung der Abstell-Vereinbarung habe sie keine Belege vorgelegt.
Keine 1-Prozent-Regelung bei vGA: So rechnet das Gericht
Da der aufgrund des Anscheinsbeweises anzunehmenden Privatnutzung keine Überlassungsvereinbarung zugrunde lag, führe diese nicht zu Arbeitslohn, sondern zu einer verdeckten Gewinnausschüttung. Diese sei allerdings - entgegen der Auffassung des Finanzamts - nicht anhand der 1-Prozent-Regelung zu bewerten, da dieser lohnsteuerrechtliche Wert für die Bewertung einer verdeckten Gewinnausschüttung nicht gelte. Der Wert sei vielmehr nach Fremdvergleichsmaßstäben zu schätzen. Bei der Berechnung hat der Senat einen Gewinnaufschlag von 5 Prozent auf die Fahrzeugkosten vorgenommen und die Privatnutzung mit 50 Prozent angesetzt. Da der danach ermittelte gemeine Wert (netto) von 4.771 Euro die vom Finanzamt angesetzten 4.000 Euro überschreite, greife das Verböserungsverbot, sodass es beim bisherigen Ansatz bleibe. Vor diesem Hintergrund könne offenbleiben, ob noch Umsatzsteuerbeträge hinzuzurechnen seien.
Keine Sonderabschreibung nach § 7g EStG
Der Senat hat ebenfalls die Sonderabschreibung nach § 7g EStG für das neu angeschaffte Fahrzeug versagt, da dieses nicht zu mindestens 90 Prozent betrieblich genutzt worden sei. Die Klägerin habe ihrem Geschäftsführer das Fahrzeug gerade nicht betrieblich im Rahmen des Anstellungsvertrags überlassen, sondern im Rahmen einer verdeckten Gewinnausschüttung. Dies stelle keine betriebliche Nutzung im Sinne von § 7g EStG dar.
Die vom Senat zugelassene Revision ist beim Bundesfinanzhof unter dem Az. I R 33/23 anhängig.
(FG Münster / STB Web)
Artikel vom: 20.09.2023
18.09.23 | BGH zu Aufklärungspflichten bei Immobiliengeschäften
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat entschieden, dass Immobilien-Verkäufer ihre Aufklärungspflicht nicht bereits vollumfänglich erfüllen, indem sie den Käufern Zugriff auf einen Datenraum mit Unterlagen und Informationen zu der Immobilie gewähren.
Im Sachverhalt ging es um den Verkauf mehrere Gewerbeeinheiten in einem großen Gebäudekomplex. Die Verkäuferin versicherte, dass keine Beschlüsse gefasst seien, aus denen sich eine künftig fällige Sonderumlage ergebe, mit Ausnahme eines Beschlusses über die Dachsanierung mit wirtschaftlichen Auswirkungen von 5.600 Euro jährlich. Weiter heißt es in dem Kaufvertrag, der Verkäufer habe dem Käufer die Protokolle der Eigentümerversammlungen der letzten drei Jahre übergeben und der Käufer habe Kenntnis von dem Inhalt der Unterlagen.
Im Rahmen der Verhandlungen erhielt die Klägerin Zugriff auf einen virtuellen Datenraum, der verschiedene Unterlagen zu dem Kaufobjekt enthielt. Wenige Tage vor dem notariellen Vertrag stellte die Verkäuferin noch ein früheres Protokoll einer Eigentümerversammlung in den Datenraum ein, aus dem sich eine Sonderumlage von zunächst 750.000 Euro – bei Bedarf bis zu 50 Millionen Euro – für Instandhaltungs- und Instandsetzungsmaßnahmen ergab.
BGH stärkt Käufer-Rechte
Nach dem Urteil des BGH vom 15. September 2023 (Az. V ZR 77/22) konnte die Verkäuferin nicht die berechtigte Erwartung haben, dass die Klägerin das so kurz vor Abschluss des Kaufvertrags eingestellte Dokument noch einsieht, und hätte sie darüber in Kenntnis setzen müssen. Zudem komme unabhängig von einer Aufklärungspflicht der Verkäuferin ein Schadensersatzanspruch der Klägerin wegen einer unzutreffenden Erklärung der Verkäuferin in dem notariellen Kaufvertrag in Betracht.
Mit seiner Entscheidung stärkt der BGH die Rechte der Immobilienkäufer.
(BGH / STB Web)
Artikel vom: 18.09.2023
15.09.23 | Bundesregierung unterstützt gemeinwohlorientierte Unternehmen
Das Bundeskabinett hat am 13.9.2023 eine "Nationale Strategie" für soziale Innovationen und gemeinwohlorientierte Unternehmen beschlossen. Darauf hatte sich die Bundesregierung im Koalitionsvertrag verständigt.
Die nun vorgelegte, unter Federführung des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) und des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) erarbeitete Strategie formuliert in sieben Leitlinien und elf Handlungsfeldern die wesentlichsten Ziele und Maßnahmen für verbesserte Rahmenbedingungen.
"Gemeinwohlorientierte Unternehmen spielen nicht nur als Treiber sozialer Innovationen eine wichtige Rolle, sondern sie lösen als wichtiger Wirtschaftsfaktor gesellschaftliche Herausforderungen mit unternehmerischen Mitteln", so Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck.
Das BMWK verweist auf den jüngsten Monitor des deutschen Startup-Verbands, nach dem mehr als 40 Prozent der Gründenden zum Social-Entrepreneurship zählen.
Strategie mit rund 70 Maßnahmen
Ob Engagement in den Bereichen faire Lieferketten, Erneuerbare Energien, inklusiver Arbeitsmarkt oder Kreislaufwirtschaft - eine positive gesellschaftliche Wirkung steht bei diesen Unternehmen vor der Maximierung des monetären Gewinns. Häufig würden dabei soziale Innovationen, Arbeitsplätze und nachhaltiges wirtschaftliches Wachstum entstehen, so die Bundesregierung. Besonders oft seien es Frauen, die als Gründerinnen wirtschaftlichen Erfolg und Gemeinsinn miteinander verbinden würden.
Zu den rund 70 Maßnahmen zählen beispielsweise:
- Abbau von Ungleichbehandlungen beim Zugang zu Fremdkapital für gemeinwohlorientierte Unternehmen, insbesondere für Unternehmen mit dem Status der Gemeinnützigkeit;
- Öffnung des INVEST-Zuschusses auch für Mezzanine-Finanzierung an und Verbesserungen bei den Bedingungen des Mikro-Mezzanine-Fonds;
- verstärkte Berücksichtigung von Kriterien der Nachhaltigkeit in Unterstützungsprogrammen wie EXIST;
- besondere Förderung von Frauen über EXIST Women;
- Ausbau des Ökosystems gemeinwohlorientierter Unternehmen durch Förderprogramme wie "REACT with impact";
- Verbesserung der rechtlichen Rahmenbedingungen durch Digitalisierung im Genossenschaftsrecht und Verbesserungen im Gesellschaftsrecht;
- effizientere Gestaltung des Gemeinnützigkeitsrechts durch Abbau unangemessener, insbesondere bürokratischer Hürden.
Weiterführende Informationen zum Download:
Leitlinien, Handlungsfelder und Maßnahmen
(BMWK / STB Web)
Artikel vom: 15.09.2023
13.09.23 | EU: Vereinfachungen bei Zahlungsverzögerungen und Mehrwertsteuer
Die EU-Kommission will kleine und mittlere Unternehmen (KMU) entlasten und hat Vorschläge zum Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr und für eine vereinfachte Mehrwertsteuer bei grenzüberschreitender Tätigkeit vorgelegt.
Insbesondere mit der neuen Verordnung über Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr soll die Praxis der Zahlungsverzögerung bekämpft werden. Dies sei eine unlautere Praxis, die den Cashflow von KMU beeinträchtige und die Wettbewerbsfähigkeit und Widerstandsfähigkeit von Lieferketten schwäche, so die Kommission. Mit den neuen Vorschriften wird eine strengere Obergrenze für Zahlungen von 30 Tagen eingeführt. Durch den vorgeschlagenen Text soll auch sichergestellt werden, dass die Zahlung der angefallenen Zinsen und Entschädigungsgebühren automatisch erfolgt. Außerdem werden neue Durchsetzungs- und Abhilfemaßnahmen eingeführt, um Unternehmen vor schlechten beziehungsweise säumigen Zahlern zu schützen.
Richtlinie über eine vereinfachte Mehrwertsteuer für KMU
Die neue Richtlinie über eine vereinfachte Mehrwertsteuer richtet sich an KMU, die grenzüberschreitend tätig sind. Sie eröffnet die Option, die Steuerbemessungsgrundlage ihrer Betriebsstätten in anderen Mitgliedstaaten nach den Vorschriften ihres Herkunftsmitgliedstaats zu berechnen, mit denen sie am besten vertraut sind und in dem sie ihre Hauptniederlassung unterhalten. Wenn die neuen Vorschriften von den meisten Mitgliedstaaten gebilligt werden, gelten sie ab dem 1. Januar 2025.
Darüber hinaus plant die Kommission einige weitere Initiativen, etwa um den Zugang von KMU zu Finanzmitteln weiter zu vereinfachen und die Rahmenbedingungen allgemein zu verbessern.
(EU-Kommission / STB Web)
Artikel vom: 13.09.2023
08.09.23 | Elterngeld Plus auch bei längerer Arbeitsunfähigkeit
Elterngeld Plus kann auch dann beansprucht werden, wenn ein Elternteil während der Partnerschaftsbonusmonate für längere Zeit erkrankt und keine Lohnfortzahlung mehr erhält. Dies hat das Bundessozialgericht entschieden.
Anspruch auf zusätzliche vier Monate Elterngeld Plus als Partnerschaftsbonus haben Eltern nur, wenn beide Elternteile ihr Kind betreuen und gleichzeitig zwischen 25 und 30 Wochenstunden erwerbstätig sind. Während einer Arbeitsunfähigkeit besteht die Erwerbstätigkeit nach den Richtlinien des Bundesfamilienministeriums zum Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG) nur bis zum Ende der Lohnfortzahlung weiter.
Aufhebung der Leistungsbewilligung zu Unrecht
Im entschiedenen Fall war der Kläger kurz nach Beginn der Partnerschaftsbonusmonate erkrankt und über das Ende der Lohnfortzahlung hinaus arbeitsunfähig. Daher hatte die Elterngeldstelle die Leistungsbewilligung aufgehoben und das Elterngeld Plus für die vollen vier Monate vom Kläger zurückgefordert. Die Aufhebung und Rückforderung erfolgten zu Unrecht.
Fortbestehen des Arbeitsverhältnisses
Das Bundessozialgericht hat mit Urteil vom 7.9.2023 (Az. B 10 EG 2/22 R) entschieden, dass Eltern auch dann "erwerbstätig" sind, wenn sie ihre auf die vorgeschriebene Zahl an Wochenstunden festgelegte Tätigkeit während einer vorübergehenden Arbeitsunfähigkeit tatsächlich nicht ausüben können, jedoch das Arbeitsverhältnis fortbesteht und die konkrete Tätigkeit voraussichtlich wieder aufgenommen werden wird. Eine andere Auslegung des BEEG widerspreche dem Ziel des Elterngeld Plus, die partnerschaftliche Betreuung des Kindes bei gleichzeitiger Teilzeittätigkeit beider Eltern wirtschaftlich abzusichern.
(BSG / STB Web)
Artikel vom: 08.09.2023
04.09.23 | Krankenversicherung: Einkommen beider Eheleute für Beitragshöhe maßgeblich
Krankenversicherungsbeiträge freiwillig Versicherter richten sich auch nach dem Einkommen des privat versicherten Ehegatten. Dies hat das Hessische Landessozialgericht entschieden.
Die Höhe der Krankenversicherungsbeiträge richtet sich nach den beitragspflichtigen Einnahmen. Bei einem freiwillig Versicherten ist dessen gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zu berücksichtigen. Ist dessen Ehegatte oder Lebenspartner nicht Mitglied einer gesetzlichen Krankenkasse, so sind auch dessen Einnahmen bei der Beitragsberechnung zu berücksichtigen. Dies gilt für alle freiwillig Versicherten, nicht nur für die hauptberuflich selbstständig Tätigen. Höherrangiges Recht werde hierdurch nicht verletzt, so das Hessische Landessozialgericht in seinem am 31.8.2023 veröffentlichten Urteil (Az. L 8 KR 174/20).
Eine freiwillig bei einer gesetzlichen Krankenkasse versicherte Frau wehrte sich gegen die Festsetzung ihrer Versicherungsbeiträge. Das Einkommen ihres privat krankenversicherten Ehemanns hätte bei der Berechnung nicht berücksichtigt werden dürfen. Die Krankenkasse hingegen verwies auf die sogenannten „Verfahrensgrundsätze Selbstzahler“, nach welchen auch das Einkommen des Ehegatten zu berücksichtigen sei.
Gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zu berücksichtigen
Die Richter beider Instanzen bestätigten die Auffassung der Krankenversicherung. Bei der Beitragsbemessung für freiwillige Mitglieder in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) sei sicherzustellen, dass die Beitragsbelastung die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des freiwilligen Mitglieds berücksichtige. Dementsprechend habe der GKV-Spitzenverband mit den „Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler“ geregelt, dass die Hälfte des Einkommens des Ehegatten beziehungsweise Lebenspartners zu berücksichtigen sei, soweit dieser keiner gesetzlichen Krankenkasse angehöre.
Denn das Einkommen des höher verdienenden und damit den Lebensunterhalt überwiegend bestreitenden Ehegattens/Lebenspartners stelle den entscheidenden Faktor für die wirtschaftliche Lage innerhalb der Partnerschaft dar und bestimme damit auch entscheidend die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Mitglieds. Diese Grundsätze gälten für alle in der GKV freiwillig Versicherten, nicht nur für die hauptberuflich selbstständig Tätigen, auch wenn es (nur) für diese zwischenzeitlich eine ausdrückliche entsprechende Regelung gegeben habe.
(Hess. LSG / STB Web)
Artikel vom: 04.09.2023
30.08.23 | Eckpunkte zum Bürokratieabbau beschlossen
Das Bundeskabinett hat heute die von dem Bundesminister der Justiz vorgelegten Eckpunkte für ein Bürokratieentlastungsgesetz (BEG IV) beschlossen. Damit soll ein wesentlicher Beitrag zum Abbau von bürokratischen Hürden geleistet und ein Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag umgesetzt werden.
Die Eckpunkte für ein Bürokratieentlastungsgesetz (BEG IV) wurden unter anderem auf Grundlage der Anfang 2023 durchgeführten Verbändeabfrage erstellt. Über 57 Verbände haben bis Mitte Februar 2023 an der Abfrage teilgenommen und 442 Vorschläge eingereicht.
Das Volumen der Entlastungen beträgt nach vorläufigen Berechnungen des Statistischen Bundesamtes voraussichtlich mindestens 2,3 Milliarden Euro.
Das Eckpunktepapier sieht unter anderem folgende Neuerungen vor:
- Informationspflichten: Diese sollen auf Aktualität und sonstige Ansatzpunkte zur Entlastung für den Mittelstand überprüft werden. Dabei werden die Informationspflichten im Energierecht, im Außenwirtschaftsrecht, im Mess- und Eichwesen sowie im Rahmen der Wirtschaftsstatistik, Gewerbe- und Handwerksordnung als auch in branchen- und berufsspezifischen Verordnungen auf den Prüfstand gestellt.
- Aufbewahrungsfristen: Die handels- und steuerrechtlichen Aufbewahrungsfristen für Buchungsbelege sollen von zehn auf acht Jahre verkürzt werden.
- Hotelmeldepflicht: Die Hotelmeldepflicht für deutsche Staatsangehörige soll abgeschafft werden.
- Schriftformerfordernisse: Die elektronische Form soll im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) die Regelform werden. Deshalb sollen zahlreiche Schriftformerfordernisse aufgehoben werden. Auch soll der Rechtsverkehr für die Wirtschaft sowie für Bürgerinnen und Bürger vereinfacht und weiter digitalisiert werden.
- Arbeitsverträge: Im Nachweisgesetz soll eine Regelung geschaffen werden, wonach wie bereits bisher bei schriftlichen Arbeitsverträgen die Verpflichtung des Arbeitgebers, einen Nachweis der wesentlichen Vertragsbedingungen zu erteilen, entfällt, wenn und soweit ein Arbeitsvertrag in einer die Schriftform ersetzenden gesetzlichen elektronischen Form geschlossen wurde. Entsprechendes soll für in elektronischer Form geschlossene Änderungsverträge bei Änderungen wesentlicher Vertragsbedingungen gelten. Ausgenommen werden sollen die Wirtschaftsbereiche und Wirtschaftszweige nach § 2a Absatz 1 Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz.
- Arbeitszeit: Für die Regelung zur Erteilung von Arbeitszeugnissen in § 630 BGB soll ebenfalls die elektronische Form ermöglicht werden. Das Arbeitszeitgesetz und das Jugendarbeitsschutzgesetz soll mit dem Ziel angepasst werden, dass die jeweiligen Aushangpflichten durch den Arbeitgeber auch erfüllt werden, wenn dieser die geforderten Informationen über die im Betrieb oder in der Dienststelle übliche Informations- und Kommunikationstechnik (etwa das Intranet) elektronisch zur Verfügung stellt, sofern alle Beschäftigten freien Zugang zu den Informationen haben.
- Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz: Das Schriftformerfordernis im Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz für Anträge auf Verringerung der Arbeitszeit und ihre Ablehnung sowie die Geltendmachung des Anspruchs auf Elternzeit soll durch die Textform ersetzt werden.
Bürokratiekostenindex
Mit dem Bürokratiekostenindex werden die Belastungen der Unternehmen aus Informationspflichten sichtbar gemacht und aufgezeigt, wie diese sich im Zeitverlauf entwickeln. Der Bürokratiekostenindex wird seit 2012 vom Statistischen Bundesamt erhoben. Die damals bestehende Belastung wurde mit 100 definiert. Seitdem schwankt der Wert zwischen 100,41 und 96,97. Der Bürokratiekostenindex liegt mit Stand Juni 2023 bei 98,41. Nach Berechnungen des Statistischen Bundesamts soll der Bürokratiekostenindex durch die angedachten Maßnahmen deutlich sinken.
(BMJ / STB Web)
Artikel vom: 30.08.2023
30.08.23 | Kabinett beschließt Entwurf des Wachstumschancengesetzes
Das Bundeskabinett hat am 30. August 2023 zum Ende seiner Kabinettsklausur in Meseberg nun den Entwurf des Wachstumschancengesetzes beschlossen. Mit ihm sollen insbesondere durch steuerliche Maßnahmen die Standortbedingungen verbessert und das Steuersystem vereinfacht werden.
Das Wachstumschancengesetz soll die steuerlichen und damit auch die wirtschafts- sowie standortpolitischen Rahmenbedingungen verbessern. Eine Investitionsprämie etwa soll den Unternehmen den Transformationsprozess erleichtern, klimafreundlicher zu wirtschaften. Zur Förderung des Wohnungsbaus und zur Unterstützung der Bauwirtschaft wird eine degressive Abschreibung für Wohngebäude befristet eingeführt.
Außerdem sollen die degressive Abschreibung für bewegliche Wirtschaftsgüter befristet wieder eingeführt und die steuerliche Forschungsförderung ausgeweitet werden. Vorgesehen sind Verbesserungen beim steuerlichen Verlustabzug und bei den Sofortabschreibungen geringwertiger Wirtschaftsgüter. Die Änderung bei der Thesaurierungsbegünstigung und die Option zur Körperschaftsbesteuerung sollen attraktiver werden.
Zur Vereinfachung des Steuersystems sollen insbesondere Schwellenwerte und Pauschalen angehoben und kleine Betriebe von Bürokratie entlastet werden.
Maßnahmen zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit
- Initiale Einführung einer Investitionsprämie für Klimaschutz
- Wiederermöglichung der degressiven AfA für bewegliche Wirtschaftsgüter
- Befristete Einführung einer degressiven AfA für Wohngebäude
- Stärkung und Ausweitung der steuerlichen Forschungsförderung
- Verbesserungen des steuerlichen Verlustabzugs
- Verbesserungen bei den Sofortabschreibungen geringwertiger Wirtschaftsgüter
- Verbesserungen bei den Sonderabschreibung nach § 7g EStG
- Änderung bei der Thesaurierungsbegünstigung und Option zur Körperschaftsbesteuerung
Maßnahmen zur Vereinfachung des Steuerrechts
- Anhebung der Grenzen für die Buchführungspflicht bestimmter Steuerpflichtigen sowie der Aufbewahrungspflicht bei Überschusseinkünften
- Befreiung von Kleinunternehmerinnen und Kleinunternehmer von umsatzsteuerlichen Erklärungspflichten
- Beseitigung der Schriftformerfordernis an verschiedenen Stellen des Riester-Verfahrens durch Ermöglichung der elektronischen Datenübermittlung
- Ermöglichung der Digitalisierung des Spendenverfahrens durch Anpassung des Zuwendungsempfängerregisters
- Erhöhung der Freigrenze für den Quellensteuereinbehalt
- Anpassung der Besteuerung von Renten aus der Basisversorgung und notwendige Folgeanpassungen
- Erhöhung der Nichtaufgriffsgrenze für Versicherungsunternehmen und Vermögensverwahrenden bei der Erbschaftsteuer
Maßnahmen zur Verbesserung der Steuergerechtigkeit
- Ausweitung der Pflicht zur Mitteilung von grenzüberschreitenden Steuergestaltungen auf innerstaatliche Steuergestaltungen
- Verhinderung von Steuergestaltungen bei Investmentfonds
- Einführung einer gesetzlichen Regelung zur verpflichtenden Verwendung von elektronischen Rechnungen
- Anpassung der Zinsschranke und Einführung einer Zinshöhenschranke
(BMF / STB Web)
Artikel vom: 30.08.2023
28.08.23 | Mitgliedsbeiträge eines Fitnessstudios bei pandemiebedingter Schließung
Die Frage, ob Beiträge, die Mitglieder eines Fitnessstudios trotz coronabedingter Schließung an den Betreiber zahlen, der Umsatzsteuer unterliegen, war schon mehrfach Gegenstand finanzgerichtlicher Entscheidungen. Ein neues Urteil liegt nun aus Niedersachsen vor.
Mit Urteil vom 23. Mai 2023 (Az. 5 K 59/22) hat das Niedersächsische Finanzgericht die Frage bejaht für den Fall, dass sich die Vertragsparteien zu Beginn der Schließzeit auf eine danach beitragsfreie Vertragsverlängerung um die Zeit der Schließung geeinigt haben. Dabei war maßgeblich, ob ein Leistungsaustausch im Sinne des Umsatzsteuergesetzes zwischen den Zahlungen der Mitglieder und den Leistungen des Fitnessstudios vorliegt.
Umsatzsteuerrechtliche versus zivilrechtliche Maßstäbe
Diese Frage wird grundsätzlich nicht nach zivilrechtlichen, sondern ausschließlich nach umsatzsteuerrechtlichen Maßstäben beantwortet. Bei Leistungen aufgrund eines gegenseitigen Vertrags, durch den sich eine Vertragspartei zu einem Tun, Dulden oder Unterlassen und die andere sich hierfür zur Zahlung einer Gegenleistung verpflichtet, liegt jedoch regelmäßig auch ein Leistungsaustausch im umsatzsteuerrechtlichen Sinne vor.
Der Bundesgerichtshof hat insoweit für das Zivilrecht bereits entschieden, dass Leistungen eines Fitnessstudios bei coronabedingter Schließung wegen Zeitablaufs nicht mehr nachholbar sind und der Betreiber von seiner Leistungsverpflichtung frei wird, gleichzeitig aber seinen Anspruch auf die Gegenleistung verliert.
Bisherige FG-Entscheidungen
Auf dem Gebiet des Umsatzsteuerrechts waren bisher Entscheidungen der Finanzgerichte in Hamburg und Schleswig-Holstein ergangen. Das FG Hamburg hat in einem ähnlich gelagerten Fall, in dem allerdings „nur“ mit einem Aushang vor Ort und in den sozialen Medien Gratis-Monate für die Schließzeit sowie Alternativleistungen angeboten worden waren, das Vorliegen eines Leistungsaustauschs verneint. Das FG Schleswig-Holstein hat entschieden, dass die vereinnahmten Mitgliedsbeiträge jedenfalls mit dem Leistungsbündel der im dortigen Fall erbrachten Alternativleistungen wie Online-Kurse in einem Leistungsaustausch stünden.
Wann liegt ein Austauschverhältnis vor?
Das Niedersächsische FG ist im vorliegenden Streitfall zu dem Ergebnis gekommen, dass sich die Parteien zu Beginn der Schließung auf eine Änderung des jeweiligen Vertrags dergestalt geeinigt haben, dass die Betreiberin der Fitnessstudios ihre Leistungen (teilweise) im Anschluss an die reguläre Vertragslaufzeit und das jeweilige Mitglied die Gegenleistung vorab während der Schließzeit erbringt. Dies folge daraus, dass dies sämtlichen Kunden zu Beginn der Schließung persönlich und unmittelbar per E-Mail angeboten worden sei, so dass die schlichte Fortzahlung der Mitgliedsbeiträge nach dem objektiven Empfängerhorizont als konkludente Annahme zu verstehen sei.
Im Ergebnis führe dies dazu, dass zwischen den Beitragszahlungen der Mitglieder und den später zu erbringenden Leistungen der Fitnessstudiobetreiberin ein Austauschverhältnis vorliege und die Zahlungen als Vorauszahlungen der Umsatzsteuer zu unterwerfen seien.
Die Entscheidung ist rechtskräftig.
(Nieders. FG / STB Web)
Artikel vom: 28.08.2023

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Denis Broll
Diplom Ökonom | Steuerberater
Fachberater für int. Steuerrecht
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