Über wenige Themen wird in der Arbeitswelt derzeit so eifrig debattiert wie über die anstehende Erhöhung des gesetzlichen Mindestlohns. Während die einen eine Stärkung von Kaufkraft, Konjunktur und sozialer Gerechtigkeit erwarten, befürchten andere Arbeitsplatzverluste und Preissteigerungen. Da die Anhebung der Lohnuntergrenze auf 12 Euro seit Kurzem beschlossene Sache ist, sorgt sie jetzt aber nicht mehr nur für Diskussionsstoff, sondern auch für Unklarheiten. Die gesetzeskonforme Umsetzung ist nämlich nicht so unkompliziert, wie es auf den ersten Blick scheint.

Wer hat Anspruch auf den Mindestlohn? Wie wird der Monatslohn von anspruchsberechtigten Vollzeitbeschäftigten berechnet? Was ändert sich für Mini- und Midijobber*innen? Dies sind nur einige der Fragen, die zahlreiche Arbeitnehmende und Arbeitgebende derzeit beschäftigen. Schließlich stehen im Juli und im Oktober mindestlohnbezogene Änderungen an. Die gute Nachricht: Einige wichtige Antworten liefert das 2015 in Kraft getretene Mindestlohngesetz (MiLoG). Darin ist geregelt, dass für alle volljährigen, in Deutschland beschäftigten Arbeitnehmenden sowie für freiwillige Praktikant*innen ein flächendeckender gesetzlicher Mindestlohn gilt.

Allerdings bestehen hier einige Ausnahmen: Ausgeschlossen sind beispielsweise Minderjährige ohne abgeschlossene Berufsausbildung, Auszubildende, Freiwilligendienstleister*innen, Ehrenamtler*innen, Heimarbeiter*innen, Teilnehmer*innen von Arbeitsförderungsmaßnahmen und natürlich Selbstständige. Die Lohnuntergrenze gilt ebenfalls nicht für diejenigen, die ein weniger als drei Monate dauerndes Pflicht- oder Orientierungspraktikum absolvieren. Auf den Mindestlohn verzichten müssen auch Teilnehmende von Einstiegsqualifizierungen und Berufsausbildungsvorbereitungen sowie Langzeitarbeitslose in den ersten sechs Monaten nach der Beschäftigungsaufnahme.

 

Mindestlohn steigt schrittweise auf 12 Euro

Die Höhe des Mindestlohns wird alle zwei Jahre von einer speziell für diese Aufgabe eingesetzten Kommission überprüft. Schon mehrmals wurde die Lohnuntergrenze auf Vorschlag dieses Expertenrates hin angehoben. Die deutlichste Veränderung steht in diesem Jahr aber noch bevor: Gleich drei Erhöhungen sind 2022 vorgesehen.

Der erste Schritt liegt bereits hinter uns. Am 1. Januar stieg der gesetzliche Mindestlohn von 9,60 Euro auf 9,82 Euro brutto. Zum 1. Juli wird dieser Bruttolohn auf 10,45 Euro erhöht. Im Oktober folgt dann eine Anpassung, die nicht von der Kommission vorgeschlagen wurde: Mit der Erhöhung auf 12 Euro setzt die rot-grün-gelbe Bundesregierung ein im Koalitionsvertrag festgehaltenes Vorhaben um. Für Unternehmen, die in Branchen agieren, in denen höhere Mindestlöhne gelten, ändert sich nichts.

 

Verdienstobergrenze für Minijobber*innen steigt auf 520 Euro

Damit haben Arbeitgebende eine klare Vorgabe. Dennoch wirft die Lohnerhöhung in einigen Arbeitsbereichen Fragen auf. Vor allem bei der Beschäftigung von Minijobbern und Minijobberinnen besteht bei vielen Unternehmern und Unternehmerinnen Unsicherheit darüber, wie sich die Mindestlohnerhöhung auf die Arbeitsorganisation auswirken wird. Das Problem: Wird die vorgeschriebene Verdienstobergrenze für Minijobber*innen überschritten, schlittern die Beschäftigten in die sogenannte Midizone. In diesem Fall müssten Lohnsteuer und Sozialabgaben entrichtet werden. Um das Überspringen dieser Grenze zu verhindern, bleibt den Beteiligten nichts anderes übrig, als die Arbeitszeit zu reduzieren. Lag die Höchstarbeitszeit im Januar noch bei rund 45 Stunden im Monat, sind es ab Juli nur noch rund 43 Stunden.

Damit auch Minijobber*innen von der Mindestlohnerhöhung profitieren können, steigt die Lohngrenze zum 1. Oktober von 450 auf 520 Euro an. Aber Vorsicht: Wurde im Arbeitsvertrag eine bestimmte monatliche Arbeitszeit festgehalten, dürfen Arbeitgebende ohne Zustimmung der Minijobber*innen keine Änderungen vornehmen. Er oder sie muss zunächst das Einverständnis des Beschäftigten einholen.

Sollte man sich auf Zusatzleistungen einigen, muss sichergestellt sein, dass diese nicht zum Gehalt hinzugerechnet werden müssen. Andernfalls droht möglicherweise der unbeabsichtigte Übergang in die Midizone.

Auch im Bereich der Midijobs wird es übrigens bald eine Neuerung geben: Die Lohnobergrenze steigt hier zum 1. Oktober von 1.300 auf 1.600 Euro an.

 

Verstetigtes Gehalt neu berechnen

Ein wenig kompliziert gestaltet sich die Lohnberechnung für Vollzeitbeschäftigte – zumindest, wenn ein verstetigtes Gehalt gezahlt wird. Da in diesem Fall meist eine Wochenarbeitszeit im Arbeitsvertrag festgeschrieben ist, muss bei der Berechnung des Lohns zunächst die monatliche Arbeitszeit ermittelt werden. Dafür können Arbeitgebende einen Durchschnittswert von 4,33 Wochen pro Monat nutzen. Schließlich verfügt nicht jeder Monat über genau vier Wochen.

Als deutlich einfacher erweist sich die Berechnung, wenn ein Zeitlohn abgerechnet wird. Dann muss die Summe der Arbeitsstunden lediglich mit dem Mindestlohn multipliziert werden.

 

Zulagen und Zuschläge nicht vergessen

Unsicherheit besteht hingegen meist in puncto Zulagen und Zuschläge. Ob derartige Leistungen auf den Mindestlohn angerechnet werden können, lässt sich nicht pauschal klären. Dies sollte stets individuell mit einem Steuerberater oder einer Steuerberaterin besprochen werden. Grundsätzlich anrechenbar sind zum Beispiel Sonn-, Feiertags- und Überstundenzuschläge, Schichtzulagen, Erschwerniszuschläge, Gefahrenzulagen oder Qualitätszuschläge.

Ob bei Sonderzahlungen wie Prämien oder Urlaubsgeld eine Anrechnung erfolgen muss, ist umstritten. Grundsätzlich gilt: Steht die Zahlung nicht in einem direkten Zusammenhang mit der geleisteten Arbeit, wird diese nicht auf den Mindestlohn angerechnet. Auch in diesem Fall empfiehlt es sich, Rücksprache mit einem Steuerexperten oder einer Steuerexpertin zu halten.

 

Dokumentations- und Aufbewahrungspflicht einhalten

Nicht vergessen sollten Unternehmen, die Zahlung des Mindestlohns ordentlich zu dokumentieren. Schließlich sind die Zollbehörden befugt, die Einhaltung des MiLoG zu kontrollieren. Wer keinen Ärger riskieren möchte, sollte im Falle einer Prüfung nachweisen können, dass der Mindestlohn gezahlt wurde. In Branchen, die im Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz (SchwarzArbG) genannt werden, gelten sogar gesetzliche Dokumentations- und Aufbewahrungspflichten.

Der Beginn, das Ende und die Dauer der Arbeitszeit müssen penibel niedergeschrieben werden. Arbeitnehmende und Arbeitgebende können diese Aufgabe sowohl handschriftlich als auch mithilfe von Computerprogrammen erledigen. Dies muss innerhalb von sieben Tagen erfolgen. Aufbewahren müssen betreffende Unternehmen außerdem Lohnabrechnungen und Zahlungsnachweise sowie Arbeitsverträge. Gegebenenfalls müssen Arbeitgebende obendrein Vereinbarungen über Arbeitszeitflexibilisierungen sowie Nachweise über Ausgleichskonten zur Hand haben.

 

Pflichten und Vorgaben im Blick behalten

Firmen, die Subunternehmen für bestimmte Dienstleistungen engagieren, sollten zudem wissen, dass sie für die Einhaltung des MiLoG sorgen müssen. Das heißt, verstößt das Subunternehmen gegen das Gesetz, haftet je nach Einsatzbereich der betreffenden Beschäftigten eventuell das beauftragende Unternehmen.

Um einen Verstoß gegen das Mindestlohngesetz zu vermeiden, empfiehlt es sich grundsätzlich, sich in einer Steuerberaterkanzlei über etwaige Pflichten und Vorgaben zu informieren. Wer beabsichtigt oder unbeabsichtigt gegen die geltenden Regeln verstößt, muss nämlich mit hohen Bußgeldern und gegebenenfalls auch mit einem schmerzhaften Imageverlust rechnen. Unternehmer*innen, die sich rechtzeitig schlaumachen, können die Erhöhung des Mindestlohns rechtskonform umsetzen und teure Fehler vermeiden. So wird sichergestellt, dass Zollbeamte oder Zollbeamtinnen im Falle einer Prüfung nichts zu beanstanden haben.

Denis Broll - Diplom Ökonom | Steuerberater, Fachberater für int. Steuerrecht, zert. Berater für E-Commerce <small>(IFU / ISM gGmbH)</small>

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